Chess & Strategy: Knight vs. Bishop

Schach & Strategie: Springer vs. Läufer

Obwohl in der Theorie dem Springer und dem Läufer eine gleiche Wertigkeit zugeordnet werden, so besteht schon seit einer Ewigkeit die Diskussion darüber, ob nicht doch eine der beiden Leichtfiguren der anderen überlegen ist. Die Tendenz hierbei ist eindeutig: der Läufer soll dem Springer leicht überlegen sein. Doch ist dies wahr? Und beruht diese Einschätzung auf Erfahrung? Oder auf einem Gefühl? Im Nachfolgenden möchte ich gerne die Eigenschaften und Bewegungsmuster beider Schachfiguren etwas näher betrachten und Argumente aufzeigen, die für und gegen diese Annahme sprechen.

 

Der Springer

Der Springer verkörpert in bildlicher Weise das Militär eines Königreiches. Sein einzigartiges Bewegungsmuster und seine schwere Berechenbarkeit stehen stellvertretend für das taktische Manöver und das Überraschungsmoment, das militärischen Einheiten innewohnt. Der Springer stellt die charakteristische Schachfigur auf dem Spielbrett dar und ist das primäre Symbol, wenn es um die bildliche Darstellung des Schachspiels geht. Doch spiegelt sich seine Popularität auch in seiner Spielstärke wider?

Die Stärken des Springers

  • Überspringen von Schachfiguren:
    Werden andere Schachfiguren von eigenen oder gegnerischen Schachfiguren blockiert, so ist der Springer als einziger in der Lage, diese zu überspringen. Somit ist er in der Lage, auch auf einem dicht besetzten Schachbrett flexibel zu agieren und etwaige Lücken für seine Positionierung zu nutzen.

  • Verteidigung eines diagonalen Bereichs:
    Aufgrund seines einzigartigen Bewegungsmusters kann der Springer zwei Felder einer Diagonalen in Reichweite abdecken. Mit einer geschickten Positionierung kann er so gegnerische Läufer von der Besetzung einer Diagonalen abhalten und den Königs- oder Damenflügel für die eigenen Schachfiguren verteidigen.

  • Unberechenbarkeit:
    Wenn nicht gänzlich unberechenbar, so ist der Springer dennoch schwer zu berechnen, da sein Bewegungsmuster über mehrere Schachzüge sehr komplexe Verläufe annehmen kann. Insbesondere unter Zeitdruck und in Blitzpartien ist vor ihm Vorsicht geboten und sehr oft entscheidet eine vom Springer geschaffene Gabel das Spiel.

Eine Gabel durch den Springer

Der Springer auf f4 nimmt den König und die Dame in die Gabel. Ein Bauer ist gefesselt, der andere würde die Deckung der Dame aufgeben. Es folgt der Damenverlust.

 

Die Schwächen des Springers

  • Geringe Reichweite:
    Auch wenn der Springer andere Schachfiguren überspringen kann, so zeigt sein Bewegungsmuster doch, dass sein Einsatz nicht auf Reichweite, sondern auf einen Radius ausgelegt ist. Das macht ihn zwar flexibel und schwer berechenbar, doch auf einem eher leereren Schachbrett auch sehr langsam und träge.

  • Zwang zum Wechsel der Feldfarbe:
    Der Springer ist bedingt durch sein Bewegungsmuster zum ständigen Wechsel seiner Feldfarbe gezwungen. Erfordert ein Feld mit seiner aktuellen Feldfarbe seinen Angriff, so muss er sich umpositionieren. Doch eine Umgruppierung führt zu einem Tempo-Verlust und benötigt mindestens einen zusätzlichen Schachzug – bei taktischen Manövern in der Regel sogar deutlich mehr.

  • Unberechenbarkeit:
    Eine Stärke, die auch als Schwäche ausgelegt werden kann. Da der Springer nur schwer berechnet werden kann, kann seine Komplexität auch gegen den eigenen Spieler wirken. Wenn er nicht zentral positioniert ist, viele Bauern auf dem Feld sind und noch keine Schachfiguren geschlagen wurden, kann er trotz seiner Sprungfähigkeit schnell Bewegungsunfähig werden. Und sobald ein paar Schachfelder in seinem Bewegungsmuster blockiert sind, ist er nicht nur berechenbar, sondern auch angreifbar zugleich.

 

Der Läufer

Der Läufer symbolisiert die Geistlichkeit und den Glauben in einem Königreich. Und die kulturelle Allgegenwärtigkeit dieser Merkmale zeigt sich in der unbegrenzte Reichweite auf den diagonalen Feldern des Läufers. Durch das diagonale Bewegungsmuster belegt jeder Läufer jeweils eine Feldfarbe und kann nicht zur anderen Farbe wechseln. So symbolisiert der Läufer auch zugleich die Mehrdeutigkeit, die dem Glauben innewohnt. Doch ist der Läufer im Vergleich zum Springer wirklich die bessere Schachfigur?

Die Stärken des Läufers

  • Hohe Reichweite:
    Der Läufer verfügt über eine bis an den Spielfeldrand reichende Reichweite. Das macht ihn gerade in Mittelspielen und Endspielen zu einem sehr schnellen und flexiblen Angreifer, der Angriffen entgehen und aus hoher Entfernung dennoch sein Potenzial entfalten kann.

  • Harmonie mit Bauernstruktur:
    Wenngleich diese Stärke immer nur für einen der beiden Läufer zählt, so ist diese doch entscheidend. Wenn die Bauernstrukturen es zulassen, so kann sich der Läufer gezielt durch diese hindurchbewegen. Im besten Fall kann er sogar unter Zuhilfenahme der gegnerischen Bauernstruktur Fluchtwege des Königs blockieren und eine Mattdrohung erzeugen, da Bauern sich in der Regel diagonal und somit passend zum Bewegungsmuster des Läufers verteidigen müssen.

  • Starke Angriffsdrohung:
    Der Läufer kann bereits in der Eröffnung den gegnerischen Damen- oder Königsflügel ins Visier nehmen und einen späteren Angriff forcieren. Somit kann er beispielsweise eine Rochade verhindern oder diese zumindest weniger attraktiv machen. Auch verfügt er über die Fähigkeit, gegnerische Schachfiguren zu fesseln und diese somit zu schwächen.

Sizilianische Verteidigung mit Läufer auf g7

Mit der frühen Ausrichtung seines Läufers auf die Diagonale zur Damenseite verschafft sich Schwarz eine frühe Angriffsoption und bereitet gleichzeitig die Rochade vor.

 

Die Schwächen des Läufers

  • Begrenztes Bewegungsmuster:
    Da der Läufer sich auf seiner Diagonalen bewegt, ist er an seine eigene Feldfarbe gebunden. Dies macht ihn langfristig berechenbar und der Gegenspieler kann seine taktischen Entscheidungen darauf ausrichten. Ein gutes Beispiel ist hier die Rochade, die den König auf eine bestimmte Feldfarbe absetzt und den angreifenden Läufer dieser Feldfarbe schnell zum priorisierten Ziel machen kann. In Endspielen mit sehr wenigen Figuren kann die Gefahr durch den Läufer dadurch minimiert werden, dass der Gegner seine Schachzüge auf die andere Feldfarbe verlegt.

  • Gefahr der Blockade:
    Das diagonale Bewegungsmuster der Läufer führt in der Regel dazu, dass einer der beiden durch die eigene oder die gegnerische Bauernstruktur behindert wird. Insbesondere bei Spielverläufen, in denen sich Bauernstrukturen verfestigen und Schachfiguren erst spät getauscht werden, hat der Läufer einen zunächst geringeren Einfluss auf das Spielgeschehen.

  • Fluchtwege:
    Da sich der Läufer bei Angriffszügen oftmals weit in die gegnerische Hälfte bewegt, verlagert sich sein Standpunkt oftmals auch zum Damen- oder Königsflügel. Da er somit näher am Rand steht, sind seine Fluchtwege begrenzt und müssen freigehalten werden, um ihn nicht angreifbar zu machen. Dieser Umstand kann die Bewegungsmuster anderer Schachfiguren beeinträchtigen.

 

Der Vergleich

Die Beurteilung der Stärken und Schwächen ohne einen Kontext zu setzen ist schwierig und sehr pauschalisiert. Da sich das Schachspiel zudem im Verlauf einer Partie immer ändert, sollten ähnliche Spielstrukturen betrachtet werden, um ein präziseres Verständnis zu entwickeln. Die einzelnen Spielphasen bieten sich für eine Analyse sehr gut an:

Analyse: Eröffnung

In der frühen Phase des Spielst bringen die Spieler ihre Figuren ins Spiel und bauen je nach Eröffnungen Bedrohungen und Angriffsmöglichkeiten auf. Da beide Spieler aus taktischen Gründen ihre Schachfiguren in der Regel erst beim Übergang ins Mittelspiel abtauschen, ist das Schachbrett noch in der Eröffnung noch gut gefüllt. Hier kann der Springer durch geschickte Positionierung seine Stärke zeigen und andere Schachfiguren überspringen. Der Läufer hingegen wird zu Spielbeginn häufig geblockt und kommt erst beim Abtausch zu Geltung. Einige Eröffnungen bringen den Läufer früh ins Spiel, bieten der Gegenseite jedoch stets die Möglichkeit, diesen zu verdrängen. Zudem versuchen beide Spieler die Kontrolle über das Zentrum zu erlangen. Der Springer kann sich in diesem Fall früh positionieren und muss keine größere Strecke auf dem Schachbrett zurücklegen, um Einfluss auf das Spielgeschehen zu nehmen. In der Eröffnungsphase des Spiels hat der Springer folglich einen Vorteil, da er nicht geblockt und während der Entwicklung der Schachfiguren selten früh angegriffen wird.

Analyse: Mittelspiel

Steigen beide Spieler ins Mittelspiel ein, so verschieben sich die Kraftverhältnisse ein wenig. Der Springer ist ohne Frage eine wichtige Figur im Angriff und wird häufig abgetauscht, jedoch ist seine Positionierung aufgrund seines geringen Angriffsradius stets nah am Geschehen, was es ihm erschwert, seine Position zu halten oder längerfristig Druck auf einen spezifischen Bereich auszuüben. Der Läufer hingegen gewinnt mit zunehmen Abtausch von Schachfiguren an Einfluss, da seine Diagonalen frei werden und er bei einer früh geplanten Positionierung den Königsflügen oder wichtige zentrale Felder anvisieren kann. Da jedoch dieser Vorteil auch stark von der offensiven Aktivität des Springers abhängt, kann kein konkretes Urteil darüber getroffen werden, ob der Läufer oder der Springer die bessere Schachfiguren darstellt.

Analyse: Endspiel

Das Endspiel tritt ein, sobald die Spieler die meisten ihrer Leichtfiguren abgetauscht haben und ihre Könige mit ins Spiel bringen. Das Schachbrett ist zu diesem Zeitpunkt leer und die Reichweite des Läufers beginnt an Wert zu gewinnen. Zudem ist der Läufer in der Lage, die Bauernstrukturen des Gegenspielers unter Druck zu setzen. Das Bewegungsmuster des Springers wird hingegen aufgrund der immer weniger werdenden Wechselwirkungen mit anderen Schachfiguren berechenbarer und zeigt die typischen Schwächen der geringen Reichweite. Dies ermöglicht es dem Gegenspieler, entweder den Springer auf Abstand zu halten oder den Springer in eine Falle zu locken und ihn gar ganz bewegungsunfähig zu machen. Denkbar wäre, dass der Gegenspieler zwischen seinen Angriffsflügeln wechselt und mit einer Umwandlung eines Bauern zur Dame droht. Eine andere Möglichkeit sind Bauernstrukturen, die alle Angriffsfelder des Springers verteidigen und ihn somit auf seinem Feld fesseln. Da das Endspiel stets ein Wettrennen mit Bauern und Königen ist, kann der Läufer aufgrund seiner erhöhten Geschwindigkeit besser auf das Speil einwirken als der Springer.

 

Fazit

Eine Betrachtung der drei Spielphasen zeigt, dass im Laufe eines Spiels und abhängig von der Fülle des Schachbrettes die beiden Schachfiguren ihre Stärken unterschiedlich stark ausspielen können. Doch woher kommt das Vorurteil, der Läufer sei ein wenig besser? Höchstwahrscheinlich basiert dieses Urteil auf der Erfahrung von guten bis sehr guten Spielern, die Ihre Partien in der Regel erst im Endspiel beenden. Da der Läufer mit zunehmender Spiellänge bzw. zunehmender Leerung des Spielfeldes an Stärke gewinnt, wird er von Spielern, die lange Partien spielen, natürlich auch als die bessere Schachfigur betrachtet. Bei Amateurspielern, die oftmals schon im frühen Mittelspiel aufgrund von Patzern Spiele verlieren, ist es bestimmt oftmals der Springer selbst, der ein Schachmatt auf einem noch dicht besetzten Schachbrett herbeiführt. Es könnte daher ratsam sein, sollte sich ein Schachspiel als herausfordernd abzeichnen, die eigenen Läufer für das Endspiel zu schonen. Doch dies wäre nur ein sehr generalisierter Ratschlag.

 

Die Diskussion über den Springer und den Läufer ist schon so alt wie das Schachspiel selbst. Ich hoffe, dass ich dir ein paar gute Einblicke zur Beurteilung der beiden Leichtfiguren geben konnte und du deine Spielentscheidungen zukünftig besser abwägen kannst. Bei Fragen komme gerne jederzeit auf mich zu und schreibe mir über mein Kontaktformular.

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Ich wünsche dir viel Spaß am Spiel, viel Erfolg und zügige Fortschritte beim Lernen.

Bis bald.

 

Stefan

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